Das Social Ecology Package untersucht die Produktionsstrategien, Prinzipien und Handlungslogiken von Viehzüchtern/Pastoralisten in verschiedenen Weidelandsystemen des heutigen Namibia. Es untersucht, wie sich diese Logiken entwickelt haben und wie sie unterschiedliche Mensch-Tier-Umwelt-Beziehungen widerspiegeln.

Das Projekt baut auf dem Verständnis auf, dass Viehhalter in verschiedenen Viehhaltungssystemen ein unterschiedliches Maß an Kontrolle über ihre Produktionsumgebung und über die Komponenten des von ihnen betriebenen Viehhaltungssystems ausüben. Der Grad der ausgeübten Kontrolle hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, und die von ihnen angewandten Managementpraktiken spiegeln den Grad und die Qualität der Kontrolle wider, die sie auszuüben versuchen.

Ob in stationären oder mobilen Systemen, ob auf privatem oder kommunalem Land, der Viehbestand oder die Herde ist die Systemkomponente, über die Viehhalter normalerweise die volle Managementkontrolle haben. Kurzfristig werden Managemententscheidungen über z.B. Weidegang, Fütterung, Tränken, Bewegungen, tierärztliche Behandlungen, Keulungen, Verkäufe, Leihgaben und Anschaffungen durch die direkten Interaktionen der Tiere oder der Herde mit der "Umwelt" beeinflusst und beeinflusst. Durch die Zucht beeinflusst der Tierhalter die genetische Ausstattung seiner Tiere und die Zusammensetzung seiner Herde - d.h. er trifft Entscheidungen darüber, wie viele und welche Tiere sich wann fortpflanzen und welche Tiere sich miteinander paaren. Dieses Zuchtmanagement beeinflusst mittel- und langfristig die Eigenschaften und Fähigkeiten der Tiere, mit der Umwelt zu interagieren.

All diese Managementprozesse haben die Interaktionen zwischen Mensch, Tier und Umwelt kontinuierlich geprägt. Insbesondere spiegeln Zuchtstrategien in hohem Maße wider, wie der Mensch, d.h. der Tierhalter, die Fähigkeiten seiner Tiere bzw. Herden zur zukünftigen Interaktion mit der Umwelt beeinflussen möchte, indem er die Merkmale seiner Tierpopulationen zur Verbesserung der strukturellen Kopplung, d.h. zur Beeinflussung der senso-motorischen Eigenschaften der Tiere, um die Ressourcen der Umwelt nutzen zu können, beeinflusst. Vor diesem Hintergrund wird das Social Ecology Package Rinderproduktionssysteme im heutigen Namibia mit ihren Mensch-Tier-Umwelt-Interaktionen, ihren Managementpraktiken und Rinderpopulationen vergleichend beschreiben und analysieren:

  • für die lokalen und die während der Kolonialzeit (ab 1884) eingeführten Praktiken der Rinderhaltung und -zucht auf der Grundlage von Archivmaterial, historischer Literatur und, wenn möglich, mündlicher Überlieferung
  • für die heutigen mobilen (agro-)pastoralen und stationären Rinderhaltungssysteme nördlich und südlich des Veterinärkordons.

Wir stellen die Hypothese auf, dass die Systeme südlich des Zauns von jenen abstammen, die durch die koloniale Intervention stark beeinflusst und / oder komplett umgestürzt oder ersetzt wurden, während die Systeme nördlich des Zauns von jenen abstammen, die deutlich weniger kolonialen Einfluss auf ihre Management- und Zuchtstrategien hatten. Der Ansatz versucht, die Tier-Mensch-Umwelt-Beziehungen in verschiedenen Rindersystemen in Namibia seit der Kolonisierung zu charakterisieren. Im Zusammenspiel mit den heutigen Akteuren des Viehsystems in Namibia wird kritisch reflektiert, wie sich diese Entwicklungen in den heute vorherrschenden Zucht- und Landnutzungsstrategien und letztlich in den Eigenschaften der Viehbestände widerspiegeln.

Herangehensweise

Die sozial-ökologische Forschung analysiert den Einfluss menschlicher Akteure auf natürliche Prozesse in Ökosystemen (z.B. Janssen et al. 2007). Nutztiersysteme werden als zielorientierte menschliche Handlungssysteme verstanden (Checkland 1981), in denen Nutztierhalter auf der Grundlage ihrer Beobachtungen, ihres Wissens und ihrer Möglichkeiten zielgerichtete Managementhandlungen durchführen (Kaufmann 2007; Halliday/Glaser 2011). Somit spielen menschliche Akteure eine entscheidende Rolle bei der Regulierung und der Transformation von Systemen (Spaargaren et al. 2012). Wir verwenden einen akteurs- und handlungsorientierten analytischen Ansatz, der auf der Kybernetik zweiter Ordnung (Foerster 1982) basiert, um die Interaktionen zwischen Tieren, Menschen und der Umwelt zu erklären, um den Informationsfluss und die Verarbeitung, die den Managementpraktiken zur Regulierung und Transformation der Systeme zugrunde liegen, zu erklären.

Im heutigen Namibia gibt es mobile (Agro-)Pastoralismus- und stationäre Rinderhaltungssysteme. Diese Systemtypen folgen unterschiedlichen Produktionsrationalitäten (Handlungslogiken). In den stationären Systemen werden die Produktionsbedingungen - soweit möglich - an die Bedürfnisse der Tiere angepasst. Die Systemregulierung erstreckt sich daher nicht nur auf die Tiere, sondern in größerem Umfang auch auf die Produktionsumgebung. Durch den Einsatz von Betriebsmitteln (z.B. Zufütterung, Weideverbesserung, Gesundheitsprophylaxe) versuchen die Tierhalter, die Produktionsbedingungen so zu beeinflussen, dass sie besser an die Bedürfnisse der Tiere angepasst sind. Dadurch wird es möglich, Tiere mit einem höheren genetischen Ertragspotenzial zu halten. Im Gegensatz dazu treten Tierhalter mobiler Tierhaltungssysteme in eine andere produktive Interaktion mit den heterogenen und variablen Umweltbedingungen, die typisch für aride Gebiete sind, mit dem Ziel, einen stetigen Strom an tierischen Produkten und Dienstleistungen aus einem saisonal pulsierenden Ökosystem zu produzieren (Krätli/Schareika 2010; Kaufmann et al. 2016). Folglich sind sie auf Tiere mit unterschiedlichen Eigenschaften angewiesen, die Fähigkeiten zur produktiven Interaktion mit heterogenen und variablen, saisonal pulsierenden Umgebungen umfassen.

Wir gehen davon aus, dass sich unterschiedliche Produktionsstrategien, sowohl in der unmittelbaren Landnutzung als auch in der langfristigen Zucht und Strategie, in entsprechenden Unterschieden in den Mensch-Tier-Umwelt-Beziehungen manifestieren, die sich wiederum in den phänotypischen und genetischen Eigenschaften der Tierpopulationen niederschlagen.

Das Arbeitsprogramm des sozialökologischen Teils des Pakets umfasst die Analyse von Sekundärdaten, umfangreiche empirische Felduntersuchungen zu aktuellen Landnutzungs- und Zuchtstrategien sowie die Koordination der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den namibischen Wissenschafts- und Praxispartnern.

1. Ein Literatur- und Archivstudium dient der Analyse des Wandels der Rinderzucht in Namibia während der Kolonialzeit aus sozial-ökologischer und tierwissenschaftlicher Sicht. Archivmaterial der Kolonialschule in Witzenhausen (z.B. Diplomarbeiten und Korrespondenz der Kolonisten mit der Schule), das im Geschichtspaket dieses Projektes identifiziert wurde, wird auf offensichtliche Ansätze in der praktischen Rinderhaltung und -zucht analysiert, ebenso wie Lehrmaterialien zur Viehzucht und Tierhaltung, Lehrbücher und wissenschaftliche Literatur aus dem frühen 20. Jahrhundert sowie ethnographische Studien zu pastoralistischen Gesellschaften in Subsahara-Afrika aus dem gleichen Zeitraum.

2. Umfangreiche Felduntersuchungen an kontrastreichen Orten in Namibia werden einen multimethodischen Ansatz verwenden, der narrative Interviews zur Ermittlung der Farm- und Zuchtgeschichte, leitfadengestützte Interviews zur Ermittlung des Zuchtmanagements und der Charakterisierung der Tierressourcen, visualisierte räumlich-zeitliche Aufzeichnungen des Landnutzungsmanagements und partizipative Fotografie zur Kontextualisierung der Mensch-Tier-Umwelt-Interaktionen umfasst. Die so gesammelten Informationen werden verwendet, um die jüngere und laufende Transformation der Mensch-Tier-Umwelt-Interaktionen in den kontrastierenden Rindersystemen vergleichend zu analysieren.